Von Christine Possler am 15. Oktober 2018 in Handwerk , Haltung

Zahlen, Daten, Fakten

Zunächst noch mal zu den Zahlen aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Bundestags-Linken(https://www.tagesschau.de/suche2.html?query=Arbeitszeiten+und+Produktivit%C3%A4t):

  • Kürzer wird demnach lediglich in den Niederlanden (31,8 Stunden) und in Dänemark (33,8 Stunden) gearbeitet,
  • länger mit 40 Stunden und mehr vor allem in Osteuropa und Griechenland (von wegen: die Griechen seien faul – sie arbeiten einen halben Tag in der Woche länger als wir!).

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Unsere Produktivität lag allerdings in 2017 mehr als ein Viertel höher als im EU-Schnitt, also bei 27,2 Prozent mehr. Produktiver ging es nur in Luxemburg, Irland und Dänemark zu.

Ressourcenpflege

Nachhaltigkeit geht pfleglich mit Ressourcen um, so schon als klassisches „forstwirtschaftliches Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann“(Hans Carl von Carlowitz, 1713, zitiert nach Duden).

Übertragen auf das Personalmanagement hieße das doch: Es fehlen oder verlassen den Betrieb immer nur so viele Mitarbeiter, wie kompetent-motiviert in der geplanten Arbeitszeit aktiv vor Ort verbleiben. Wunschdenken! Stattdessen springen übrig Gebliebene für Fehlende ein und erledigen auch deren Arbeit.

  • So berichtet die Verkaufsleiterin einer Supermarkt-Kette, dass sie in einem ihrer geführten Geschäfte derzeit 80 Prozent Krankenstand hat, in den anderen mehr als 30 Prozent, wobei nicht einmal alle Planstellen besetzt sind. „Doch die Öffnungszeiten bleiben! Ich schiebe Mitarbeiter hin und her, die werden sauer und bleiben dann auch noch weg.“
  • Oder die Rückmeldung einer Reservierungsleiterin im Hotel, die vier Mitarbeiter monatelang per Training on the Job und Projektarbeit gefördert hat: „Drei sind weg: zwei haben das Unternehmen verlassen, eine hat intern gewechselt. Ich fange wieder fast von vorne an.“ Nix mit Nachhaltigkeit, weder ökonomisch, noch ökologisch (da wird Energie verschwendet!), noch sozial in Team- und Beziehungspflege.

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Noch einige Zahlen: Fast ein Drittel der Stellen haben in Deutschland im vergangenen Jahr einen Wechsel verzeichnet, in der Gastronomie sind es nach anderer Quelle sogar doppelt so viele. Erst gesetzliche Regelungen haben massive Überstunden begrenzen können (am wenigsten bei Führungskräften).

Also: Mitarbeiter lassen sich nicht an Arbeitgeber (fest-) binden, umso weniger, je besser Konjunktur und Beschäftigungsgrad sind. Dabei blieb 2017 eine beim Arbeitsamt gemeldete Stelle im Gastgewerbe mehr als hundert Tage unbesetzt, ein Anstieg in der Dauer um ein Viertel in zwei Jahren! Die Zahl der Krankheitstage steigt weiter: in 2016 auf mehr als 17 Tage im Schnitt, bei älteren Arbeitnehmern auf gut 30 Tage.

(https://www.iwkoeln.de/presse/iwd/beitrag/holger-schaefer-fluktuation-starke-wirtschaft-fuehrt-zu-mehr-jobwechseln-401583.html,https://www.welt.de/wirtschaft/karriere/article174855200/Fluktuation-Deutsche-wechseln-haeufiger-den-Job.html,https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201712/ama/heft-arbeitsmarkt/arbeitsmarkt-d-0-201712-pdf.pdfhttps://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201712/ama/heft-arbeitsmarkt/arbeitsmarkt-d-0-201712-pdf.pdf,
https://www.iwd.de/artikel/krankenstand-in-deutschland-arbeitnehmer-fallen-laenger-aus-377618/?pk_campaign=Themen%20-%20Adwords&pk_kwd=Krankenstand#die-krankheitstage ).

Leistungsstärke, eine deutsche Tugend? Auch diese Medaille hat zwei Seiten.

Mehr in weniger Zeit leisten müssen,
das kann Druck und Stress erzeugen,
der körperlich und mental belastet.

Da überrascht es nicht, dass Gesundheitsmanagements-Themen im Fokus der Personalverantwortlichen in den Vordergrund rücken.

Was tun? - Da bleibt wieder einmal die Empfehlung für eine konsequent-professionell und menschlich engagiert beeinflusste Mitarbeiterlistung, auch wenn das wenig Neuigkeitswert hat. Das braucht halt Disziplin für viele und vielfältige erledigte Kleinigkeiten, auch wenn die Arbeitsbelastung hoch ist.

6 Maßnahmen im nachhaltigen Mitarbeitermanagement

1. Gestaltung

Langfristige Investitionen in Mitarbeiterkraft und –kompetenzen sind nötig für wirtschaftlichen Erfolg und Zukunftsfähigkeit, abgeleitet aus den strategischen Zielen. Das schließt parallel existierende Linien- und Netzwerk-Organisationen genauso ein wie individuell ausgestaltete Führungs- und Fachkarrieren.

Mitarbeiter-Mitwirkung über alle Ebenen in dieser strategischen Gestaltung stärkt Transparenz, macht nachhaltig neugierig auf die Umsetzung, ermuntert zu aktivem Mitmachen und motiviert!

2. Mitarbeitergewinnung

Neue Wege und Plattformen braucht das Land, die mögliche Interessenten erfolgreich und wirtschaftlich sinnvoll ansprechen und frühzeitig Interesse und Glaubwürdigkeit für sich als Arbeitgeber wecken. Nachhaltige Mitarbeiterfindung ist ein fortlaufendes Programm und startet nicht erst, wenn Kündigungen auf dem Tisch liegen. Zur Glaubwürdigkeit zählt auch, dass neue Mitarbeiter in den ersten Tagen und Wochen Versprechungen wirklich erleben, z.B. in Form von tatsächlich orientierender Einarbeitung, einem wirklich guten Ton im Team, einer voraus schauender Arbeitsplanung etc.

Hier gibt es besonderen Optimierungsbedarf, wie eine Pre-Opening und Opening-Phase in einem großen Konzept aktuell wieder zeigt. Wichtigkeit und reale Umsetzung von Onboarding finden wie so häufig nicht zusammen.

3. Mitarbeiterentwicklung

Hier geht es um Investitionen in Kompetenzen – auch persönlich und sozial und nicht nur rund um fachliches Wissen und Können (auch wenn das wichtig ist, um Sicherheit zu gewinnen und Blamagen zu vermeiden). Das mündet in eine ständige Performance-Entwicklung der Mitarbeiter (sprich: ihre Leistungs-Verbesserung am Kunden und Gast), individuell und situativ, nah an den sich wandelnden Anforderungen und an der Praxis, mit gestärkter Priorität von Mitwirken, Lernen im Alltag und agilen Entwicklungswegen (siehehttps://www.mutgestalten.de/blog/kreisel-coaching/).

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Starre Programme haben ausgedient: Mitarbeiter können sich für ihre Qualifizierung bedarfsgerecht aus einem Maßnahmen-Pool bedienen, egal wie alt sie sind, denn auch auf die erfahrenen Älteren, die heute in Trainings oft vernachlässigt werden, können wir nicht verzichten.

4. Persönliche Haltung

Eine gelebte Kultur ist in akzeptierter Selbstbestimmung und gestärkter Eigenverantwortung gefragt, auch in den Arbeitsprozessen. Tolerante, respektvolle, ja humorvolle Begegnungen in einem gesellschaftlich vielfältigen (manchmal gar polarisierten) Miteinander zwischen Führung und Mitarbeitern sowie untereinander sind unabdingbar. In diesem Sinne sind Mitarbeiter ebenfalls als Kunden zu verstehen, nämlich als interne Kunden, die zu begeistern sind!

Doch nicht alles, was irgendwie machbar ist, muss auch gemacht werden. Manchmal kann auch eine Arbeit liegen bleiben. Und im Umgang mit Fehlern gilt:Vorbeugen -> Vermeiden -> Beheben -> Lernen! -(siehe https://www.mutgestalten.de/blog/hinfallen-krone-richten-und-wieder-aufstehen/).

Nicht alles, was ärgerlich ist, ist ein Beinbruch!

5. Führung

Vernetzung zählt, und das zwischen...

  • internen und externen Mitwirkenden (Stakeholder, Interessenhalter),
  • einzelnen Personen unterschiedlichster Herkunft, Bildung, Motivation,
  • Führungskräften und Rollen,
  • Hierarchien und parallel existierenden Netzen,
  • Teams und Gruppen,
  • Bereichen und Abteilungen( hierarchischen Ebenen),...

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Nachhaltige Kommunikationsprozesse sind wesentlich in ihrer Dichte und Qualität. Sie schaffen Zusammenarbeit und Transparenz, steuern Begegnungen und Beziehungen, bauen Vertrauen auf und lassen Feedback häufig und auch informell selbstverständlich werden (siehe diverse Blogs zu Agilität und New Work, z.B.https://www.mutgestalten.de/blog/agil-was-ist-denn-neu-an-new-work/).

Diese machtarme Kommunikationsintensität ist ein echter Leistungsmaßstab, so auch Reinhard K. Sprenger (s.u.) und unsere aktuelle Erfahrung aus einer großen Betriebseröffnung: Die Teams mit dem intensivsten Austausch (sowie viel mit Lachen) und gleichzeitiger Ergebnis-Orientierung waren am überzeugendsten und am schnellsten verkaufsbereit!

6. Anreize

Das „Personalwesen“ passt in seinen klassisch-tradierten Aufgaben:

  • Es schließt Arbeitsverhältnisse korrekt und beendet sie ebenso.
  • Verträge sowie Beurteilungen/ Leistungseinschätzungen sind transparent und fair.
  • Leistungsentgelte stimmen – sie sind branchenüblich. Mitarbeiter können davon leben.
  • Abrechnungen sind fehlerfrei und pünktlich.
  • Überdurchschnittliche Leistung wird belohnt.
  • Informationen passen – inhaltlich und zeitnah.
  • Immaterielle Anerkennungen zeigen angemessen Wertschätzung.

Das klappt nicht immer, wie Mitarbeiterklagen immer wieder zeigen, z.B.: "Wir müssen pünktlich antreten, auf unser Geld für Überstunden warten wir dann zwei Monate."

„Der Chef als guter Gastgeber“

Wenn das  alles passt, hat auch das Zusammenwirken mit Mitarbeitern langfristig Bestand – ohne gefühlt unzumutbaren Druck. Hier noch einmal Reinhard K. Sprenger:

„Mir kommt das Bild eines guten Gastgebers in den Sinn. Auf einem Fest sorgt er unabhängig dafür, dass alles gut läuft und ineinander spielt. Er sorgt sich um die vielen kleinen Dinge, die den Abend zu einem Erfolg machen, aufmerksam für das, was sich zwischen den Gästen entwickelt, jenen einbeziehend, der bisher unbeachtet am Rande stand, schwierige Beziehungen charmant überbrückend. Und – und dies vor allem! – er sorgt dafür, dass jeder in seiner besten Rollen zur Geltung kommt.“(Sprenger, Reinhard K.: Sprengers Spitzen, 2018, S. 15)

Über die Autorin

Christine Possler
Geschäftsführende Gesellschafterin

Christine Possler ist Diplom-Oecotrophologin, Solution Focused Coach, zertifizierter reteaming®-Coach und als
Beraterin, Trainerin & Coach mit diesen Schwerpunkten aktiv:
* Führungskräfteentwicklung
* Teamwirksamkeit
* Kundenorientierung und Kundenkommunikation…
und damit Kulturentwicklung im Unternehmen

Sie sagt über sich selbst:

Motiviert bin ich, wenn...
ich entdecke, wie Menschen zunehmend an sich glauben und mit Freude zu ihrer persönlichen Bestform gelangen!

cp@MUTmanagement.de