„Neue Arbeit“ und ihre Rahmenbedingungen

Ihre Faktoren sind bekannt (siehe Agile MUTation) und deshalb hier nur kurz benannt:

  • Der demographische Wandel verändert den Arbeitsmarkt. So gibt es immer weniger junge, neue Arbeitskräfte, vor allem Fachkräfte fehlen in mittlerweile allen Branchen. Zugleich steigt das durchschnittliche Lebensalter in vielen Teams an: Die Quote der beschäftigten 50-Jährigen und Älteren nimmt stetig zu. 2014 standen bereits 77 Prozent der 55- bis 59-Jährigen (2000: 57 Prozent) und 52 Prozent der 60- bis 65-Jährigen (2000: 20 Prozent) aktiv im Arbeitsleben – Tendenz steigend (Quellen: Moller, Walwei, 2017, https://www.grin.com/document/419161).
  • Digitalisierung verändert Arbeitsanforderungen, -prozesse sowie Informationsgeschwindigkeit und „schluckt“ manchmal ganze Aufgabenbereiche. Das wirkt besonders herausfordernd auf ältere Mitarbeiter, deren Anteil - siehe oben - ja steigt.
  • Der Wertewandel stellt die Zusammenarbeit der Generationen auf den Prüfstand. Das eigene Werteverständnis, die Ansprüche an die Balance von Arbeits- und Freizeit wie auch Erwartungen an Arbeitsplatz und -zeit verändern die Arbeitswelt, und zwar unabhängig davon, ob sich Unternehmen um die „New Work“ kümmern oder nicht. Das gilt auch für die nötige Integration der verschiedenen sozialen Milieus, Bildungshintergründe, Motivationen und nicht zuletzt der unterschiedlichen nationalen Wurzeln.
  • Globalisierung sorgt für international besetzte Teams, sie verändert verfügbare Rohstoffe und ihre Preise, erreichbare Zulieferer und ganz besonders greifbares Wissen und Informationen. Nur wer schnell ist, spielt vorne mit – ob im Wettbewerb am Absatz-, Rohstoff- oder Arbeitsmarkt. Und: Schlechte Presse kann sehr schnell sehr negativ wirken.

Diese vier Faktoren bilden den Rahmen, allerdings können unsere jungen Führungskräfte sie nur bedingt beeinflussen. Sie können sie aber als Leitplanken verstehen und akzeptieren (statt sich an ihnen aufzureiben). Deutlich mehr Einfluss haben sie auf die vier Treiber, die wir auch im Blog „Agil – was ist denn neu an New Work’“ beschrieben haben.

Etwas angepasst ging es in den Workshops damit weiter.

Der Weg in Richtung „Neue Arbeit“

Die vier Treiber haben wir in die jeweiligen Verantwortungsbereiche/ Rollen der jungen Führungskräfte übertragen und methodisch anwendbar gemacht:

Augenhöhe

Augenhöhe ist eine Haltung, die über fünf Facetten spürbar wird:

  1. Alle Entscheidungen und Abläufe sind sinnvoll auf den Gast oder Kunden ausgerichtet.
  2. Das macht sie für Mitarbeiter nachvollziehbar, um sie aus eigener Entscheidung und eigenverantwortlich zu unterstützen.
  3. Eigenverantwortung braucht Raum. Mitarbeiter erleben eine Haltung, die Vertrauen auf Augenhöhe signalisiert – für die Aufgabe, die sie selbstständig erledigen sollen.
  4. Neue Ideen oder Projekt starten agil mit der Frage:
    "Was bringt uns jetzt am meisten voran?" 
    Dann fangen Führungskraft und Teams einfach an – ausprobieren, auswerten, anpassen…
  5. Führungskräfte nutzen das „Unterstützende Führen“
    Sie statten ihr Team mit allem aus, was es braucht, um wirkungsvoll zu arbeiten, und fragen: 
    „Hast Du alles? Kennst Du die Anforderungen und das Ziel?“ 
    Wenn Ihr Mitarbeiter das bejaht, fordern Sie Leistung ein.

Wir haben dazu mit den jungen Führungskräften den Blick zunächst auf ihr Selbstbild (MBTI-Einschätzungen) und dann auf ihr Umfeld geworfen – mit der Frage:

Wo sehen Sie in Ihrem Verantwortungsbereich Beispiele, 
die Richtung Augenhöhe weisen?

Ein Auszug aus den zusammen getragenen Antworten:

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Mit „Führen ist Unterstützen“ hatten sich die Teilnehmer schon gründlich in vorangegangenen Modulen vertraut gemacht (siehe auch Kreiselmanagement). Mit diesen Erkenntnissen ging es weiter zum nächsten Treiber.

Beteiligung

Das ist der Schlüssel zu Individualisierung und Autonomie – und noch weitergehend laut Benedikt Hackl „… der Kern der Unternehmenssteuerung“ und häufig das Zünglein an der Waage (Benedikt Hackl u.a.: New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt, Wiesbaden 2017-11-24).

Doch wie geht Beteiligung handwerklich effektiv und effizient? Unsere jungen Führungskräfte lernten zwei aus ihrer Sicht praktikable Methoden kennen und anwenden: Die Kollegiale Beratung und Beteiligungsgespräche.

In der Kollegialen Beratung schildert ein „Fallgeber“ sein Thema, und eine Gruppe von „Beratern“ (ca. zwei bis max. vier Personen) erarbeitet strukturiert Lösungsvorschläge. Das eignet sich für Themen und Situationen, die der Fallgeber direkt beeinflussen kann, wobei er von der Kompetenz und der „fremden“ Perspektive auf sein Thema profitiert – in konstruktiver Stimmung und Stillschweigen der Beteiligten gegenüber Dritten. Die Rollen:

  • Fallgeber:   Schildert seine Situation und mündet in eine konkrete Frage.
  • Moderator: Wacht durchgängig über eingehaltene Spielregeln und Zeit und dokumentiert Ergebnisse.
  • Berater:       Analysieren und diskutieren mögliche Ursachen und   Lösungswege ohne Einfluss des Fallgebers.

Jede Kollegiale Beratung durchläuft sechs Schritte, durch die der Moderator steuert.

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Das erlebten die Teilnehmer zunächst als etwas sperrig, denn der Fallgeber spricht nur in den „roten Phasen“, in allen übrigen diskutieren die Berater seinen Fall, als sei er nicht anwesend. Damit kommen sie unbeeinflusst zu eigenen Gedanken und Ideen, die sich über manche vermeintliche Sachzwänge hinwegsetzen und gerade darum am Ende doch machbar sind. Das haben auch unsere jungen Führungskräfte in den verschiedenen Runden erfahren. Zudem gelang der Ablauf immer selbstverständlicher und "normaler" und führte zu verblüffend tragfähigen Ergebnissen.

Beteiligung braucht Information und Dialog. Nur wer informiert ist – und zwar in individuell auf ihn zugeschnittener Dosis und Verständnis – kann entscheiden, ob er mitziehen will und kann. Beteiligungsgespräche holen einen oder mehrere Mitarbeiter ab und nehmen sie mit in der Entwicklung von Lösungen und Ideen - in einem gezielten Gesprächsablauf, dem die Führungskraft folgt und fragend vorhandene Erfahrungen und erkannte Möglichkeiten, Grenzen und Schlussfolgerungen entwickelt:

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  • Über eine positive menschliche Beziehung und die Sach-Information zum Gesprächsanlass holt sich die Führungskraft die Sicht des oder der Mitarbeiter zu ihrem Thema ab.
  • Gemeinsam schaffen sie eine Gesprächsbasis mit dem gleichen Blick auf ihr Thema. Das scheint auf den ersten Blick oft selbstverständlich und unnötiger Aufwand zu sein und ist es auf den zweiten dann gar nicht mehr. (Bitte denken Sie z.B. an einen Apfel - wie sieht der aus? Sie können sicher sein: Wenn sich mehrere Menschen ihren Apfel vorstellen, hat jeder ein etwas anderes Bild im Kopf!)
  • Auf dieser Grundlage entwickeln die Gesprächspartner aufbauend und im Dialog mögliche Wege zur Verbesserung und...
  • vereinbaren ein Ergebnis - zuletzt immer mit dem Fragen-Set:
    "Was hast Du verstanden?
    Macht das für Dich Sinn?
    Kannst Du es anwenden?
    Willst Du es mittragen?"
  • Den Abschluss bildet ein gutes menschliches Auseinandergehen.

Dabei ist die Führungskraft besonders mit ihrer Fragetechnik gefragt. 
Wichtige Grundregeln(siehe auch CM vom 28.05.2018, Heft 04, Seite 25 – 28):

  • Das Verhältnis Fragen zu Aussagen je nach Situation ausgeglichen gestalten:
    Mindestens 30 : 70, besser 50:50.
  • Viele offene Fragen mit Fragewörtern nutzen, wenn Sie wirklich etwas wissen wollen: 
    Wie? Was? Welche...? Weshalb?…
  • Vorsicht bei Warum-Fragen, sie wirken häufig wie eine Anklage oder zumindest wie ein Verhör. 
    Wer so gefragt wird, verteidigt sich fast automatisch. 
    Besser: Weshalb, aus welchem Grund, woran liegt das…
  • Ungewöhnlich fragen:
    Hypothetisch: 
    Gesetzt den Fall…
    Zirkulär: Wie würde das auf … wirken 
    Skalierend: Auf einer Skala von…
  • Nur eine Frage je Fragesatz: Wie kommen Sie mit… zurecht? 
    Antwort abwarten und nicht sofort die nächste Frage „abfeuern“.
  • Kurze Fragen formulieren: Maximal 7 Worte.
  • Suggestive Fragen meiden:
    Nicht nach Bestätigung, sondern nach Antworten suchen.
  • Aktiv zuhören:
    Offene Körpersprache/ Mimik,Antworten aufnehmen, entschleunigen, neue Impulse nutzen

Neben diesen grundsätzlichen Erfolgsfaktoren für gute Fragen haben unsere Führungskräfte auch verschiedene Frageformen kennen gelernt. Ihre Erkenntnis: „Nach dem Gespräch fallen uns die besten Fragen ein!“ Darum gilt: üben, üben, üben…

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                                                          Quelle: Funke, Rachow, Frage-Kollektion 2016

Führungs-Arbeit

Mit dem dritten Treiber hatte der Nachwuchs schon häufig gearbeitet, auch wir sind in unseren Blogs immer wieder darauf eingegangen. Darum hier die Zusammenfassung:

Unterstützend Führen bedeutet:

  • Bühne bauen und Voraussetzungen für Mitarbeiter schaffen
  • Jede Ebene trägt die folgende und stellt alles zur Verfügung was die Mitarbeiter dort für ihre Arbeit brauchen
  • Es ist klar, wer was zu tun hat und wie das geht
  • Dann gilt:
    Unterstützen, entwickeln und coachen auf gleicher Augenhöhe
    Freiräume schaffen für Entscheiden und Tun
    Wertschätzung spenden – in Fachleistung, Person und Führung
    Beständig Können aufbauen und Engagement stärken
    Beteiligend steuern und Wege zum Ziel ebnen
    Auf dem Weg zu erfolgreichen Innovationen begleiten
    Erfolge feiern und Misserfolge gemeinsam beerdigen

Flexibilisierung

In der Diskussion rund um den vierten Treiber waren sich die jungen Führungskräfte zunächst einig, dass da nicht viel gehe in der gäste- bzw. kundenpräsenten Diensleistung. Und doch zeigte ihnen ein genauerer Blick eine ganze Reihe an Chancen, z.B.:

  • Das Arbeitsverhältnis – beteiligende Dienstplanung, Vollzeit oder Teilzeit mit individuellen Stundenzahlen auf Monats- oder Jahresarbeitszeitkonten
  • Der Arbeitsplatz – rollierend mit verschiedenen Aufgaben mit mehr oder weniger Gastkontakt
  • Die Arbeitsinhalte – eher praktisch, z.B. im direkten Gastkontakt, oder verwaltend und steuernd in der Administration
  • Die Arbeitszeit – in wechselnden Schichten oder mit Schwerpunkten auf bestimmten Zeiten
  • Der Arbeitsort bedingt – nicht in allen Aufgabenbereichen an den Schreibtisch im Unternehmen gebunden, wohl aber an den Ort des Gastkontaktes 

Fazit

Das lautete zum Abschluss der Workshop-Reihe ziemlich einhellig:

Es ist gar nicht so schwer, 
einfach anzufangen und schrittweise die Vorteile von „New Work“ zu nutzen – 
frei nach dem Motto: Ausprobieren, auswerten, anpassen…

Machen Sie es nach, Sie werden sehen, es wirkt ansteckend.

Viel Erfolg!

Über die Autorin

Christine Possler
Geschäftsführende Gesellschafterin

Christine Possler ist Diplom-Oecotrophologin, Solution Focused Coach, zertifizierter reteaming®-Coach und als
Beraterin, Trainerin & Coach mit diesen Schwerpunkten aktiv:
* Führungskräfteentwicklung
* Teamwirksamkeit
* Kundenorientierung und Kundenkommunikation…
und damit Kulturentwicklung im Unternehmen

Sie sagt über sich selbst:

Motiviert bin ich, wenn...
ich entdecke, wie Menschen zunehmend an sich glauben und mit Freude zu ihrer persönlichen Bestform gelangen!

cp@MUTmanagement.de