Von Ulla Thombansen am 9. Januar 2019 in Haltung

WoL oder LoL?

Working out Loud (WoL) und Learning out Loud (LoL) sind also zwei durchstrukturierte Lernformate. Sie wollen...

  • Denken, Verhalten und persönlichen Umgang miteinander neu ausrichten,
  • damit einen Kulturwandel voranbringen,
  • digitales und soziales Lernen zusammenführen und
  • so Anforderungen an eine neue Lernkultur im Business erfüllen wollen.1)

Wir finden:

  • Das ist nicht neu.
Bereits in den 1980er Jahren habe ich mich entschieden, mich mit MUT auf das Thema Systematische Human Relations zu fokussieren, weil ich gezielte und systematische Beziehungsgestaltung als Schlüssel für erfolgreiches Miteinander erkannt hatte – auch im Business. Seitdem gelten für mich, ja: und für uns bei MUT, die auch bei WoL detailliert beschriebenen Spielregeln. Die Konzepte sind sehr ähnlich bei uns lange im Einsatz und immer weiter entwickelt.
  • Selbstgesteuert zu lernen und dabei Wissen zu teilen, ist nicht Jedermanns Sache. Nur etwa die Hälfte ist dazu bereit.1)
  • Ein ideologisiertes „out-Loud“ mag zwar Sichtbarkeit und Netzwerk-Stränge verstärken.
    Doch wenn jeder all seine neu bewerteten Erkenntnisse breit verteilt,
    belagert das unsere Sinneswahrnehmungen,
    verstopft Kommunikationskanäle und
    vermüllt Chancen, Wertvolles darin zu erkennen.
  • Wie können laute Aktivisten und ihre Empfänger dann noch aufmerksam und achtsam sein?
    Wir klagen ja schon heute über zu viele Infos, Mails, Blogs...
  • Geht es auch leiser, geht es auch fokussierter?

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Schauen wir zunächst auf WoL:
Es propagiert geübte und erkennbare persönliche Beziehungspflege in ausgebauten Netzwerken, über die individuelle Ziele zu erreichen sind. Prozessbegleiter lenken das methodisch über zwölf ca. einstündige Kleingruppen-Meetings (virtuell oder persönlich), für die es jeweils eine Agenda gibt. (Bei LoL läuft die Lernreise in Reinkultur über sieben Treffen mit einem zertifizierten Facilitator)2).

WoL-Circle-Members geben Aufmerksamkeit und Wertschätzung auch weit über ihren Kreis hinaus weiter, ohne dafür Gegenleistungen zu erwarten – die kommen dann von selbst über die Vernetzung, so die Überzeugung.

Letztlich lässt uns das an Weight Watchers denken:
Der Austausch untereinander,
die Hilfe füreinander und
ein gewisser sozialer Druck verhelfen auch hier
zu nachhaltiger Veränderung und Zielerreichung.

WoL ist ein geschütztes Marken-Konzept, das ohne Veränderungen genutzt werden kann, allerdings nicht geschäftlich gegen Honorar.3)

Wird das in bedeutsamer Größenordnung in Organisationen umgesetzt? Es gibt Beispiele.4) Dennoch fragen wir uns, wo der Unterschied machende Nutzen liegt. Vielleicht sehen Vertreter der Generationen X, Y, und Z oder Verantwortliche in prozessorientierten Lean-Kulturen diese Beziehungsausprägung für sich als wertvoll und wenig selbstverständlich an – vielleicht sind hier bewusst eingeübte Übungs- und Feedbackschritte hin zu neuen Gewohnheiten sinnvoll und prägen dann auch eine neue Unternehmenskultur. Sehr ergebnisorientierte und technisch geprägte Mitarbeiter mögen ebenfalls profitieren.

Die Systematisierung von WoL und LoL finden wir auch in anderen agilen Methoden wieder (siehe z.B. Holokratie, Scrum oder Design Processing) – immer als solide Leitplanken für iterative Fortschritte, auch wenn sich manch aktiver Lerner daran stört und es als starr statt als agil empfindet.

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Konzentrieren wir uns jetzt auf das Lernen. Hier fallen uns die unterschiedlichen Blickwinkel auf:

Wissende versus Lernende.

  • Erstere sammeln Wissen.
    Sie horten Abschlüsse/ Zertifikate. Sie zeigen, dass sie fleißig und systemkonform funktionieren und sich mit Inhalten beschäftigt haben. Sie greifen auf Wissensmanagement zurück, um Zugang zu vorhandener Knowledge zu bekommen, deren Halbwertzeit immer schneller sinkt. Diese Kenntnisse sind archiviert und für Interessierte bereit gestellt (wenn diese in der vorhandenen Datenmenge finden, was sie suchen, was häufig gar nicht so einfach ist). Hier geht es also um eine nicht zweckgebundene Vorratshaltung von Antworten auf frühere Probleme.
    Das ist (genauso wie frontal unterrichtete Kenntnisse oder Wiki-Recherchen)... stark rückwärts gerichtet (was in vergleichbaren oder wiederkehrenden Situationen nützen mag, aber nichts Neues hervorbringt, also keinen Wandel befeuert).
    Wenn Wissensmenschen einem Guru glauben, dann sendet dieser vielleicht: „Ich bin der Experte für ... und weiß, was gut für Euch ist. Folgt mir!“
    (Fallen Ihnen da Repräsentanten aus Ihrem Umfeld ein?)

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  • Die Lernenden erleben Lernen als erforschenden Prozess und entwickeln dabei Neues.
    Sie finden selbst etwas heraus, auch hier möglichst gemeinsam und systematisch. Sie teilen ihr Denken und ihre Ideen, schaffen kritisch reflektierend und kreativ neue Antworten auf das, was sie beschäftigt. Das wird eher ein Design von Lösungen und damit immer Lernen im Ungewissen und in Unsicherheit, was nicht jedem liegt. (Doch auch hier geht es darum, Unternehmenswissen anzureichern und dann zu speichern!)
    Ein Guru der Lernenden würde vielleicht sagen: „Ich weiß so wenig, und es gibt noch soviel zu lernen. Machen wir uns auf den Weg!“ Er hört zu und sucht! (Wer denkt da nicht an Steven Hawking?)

Es geht also um lebendiges Erlebnis-Lernen (hier nicht im Sinne von unterhaltsam). Wann ist eine solche Learning-Experience erfolgreich, also motivierend und wirkungsvoll?

Wir sehen 6 Treiber.

Lernen funktioniert gut,...

  1. wenn der Nutzen für mich als Lernende stimmt:
    „Das brauche ich! Das ist relevant für mich (UND meine Aufgabe).“
    „Das muss ich nicht stupide auf Vorrat lernen, weil jemand anderes (HR oder der Chef) das will.“
  2. wenn es mein Anti-Blamier-System (ABS) füttert:
    „Mit dem Wissen kann ich besser und sicherer auftreten.“
    „Ich traue mich an neue Aufgaben und Fragen heran.“
  3. wenn es auf meine menschlichen Beziehungen einzahlt:
    „Ich bekomme Aufmerksamkeit und Feedback!“
    „Ich erhalte und gebe Unterstützung, z.B. in Camp-Formaten mit hohem Mitwirkungspotenzial!“
  4. wenn ich Erfolg erlebe:
    „Ich nähere mich neuen Ergebnissen, mache Fortschritte, erfülle Aufgaben besser und schneller und finde Neues heraus.“
    „Darauf bin ich stolz und teile meine Erfahrungen gerne.“
  5. wenn es methodisch passt:
    „Das spricht mein Hirn an, ich verstehe es und kann es bewältigen.“
    „Ich kann es üben und werde schrittweise fit.“
  6. wenn ich das WIR erlebe:
    „WIR tauschen uns auf Augenhöhe aus und kommen in unseren Anliegen zusammen weiter.“
    „WIR bauen Erfolge, jeder für sich und gemeinsam füreinander. Das stärkt uns und mich!“5)

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Dann klappt „Lernen lieben lernen“, wie die aktuelle Training aktuell einen Bericht über den Technologie-Kongress OEB 2018 titelt.6) Intrinsische Motivation pur. Das powert die Menschen in einem Umfeld, in dem lebenslanges und eigenverantwortliches Lernen wahrlich nicht neu ist, aber Monat für Monat wesentlicher wird – für mehr Flexibilität, Schnelligkeit und bewältigte Komplexität auch in immer mehr Online-Formaten. Es geht es um ständiges Werden, um Becoming, wie Michelle Obama ihren Lebensweg in ihrer Autobiografie überschreibt.7)

Also: Nichts wie ran!
Mit einem persönlichen Ziel und mit Menschen, die unterstützen!

1)Lerntechnologie-Kongress OEB, Sascha Reimann: Lernen lieben lernen. Training aktuell, Januar 2019

 2)https://www.managerseminare.de/ms_Artikel/Einfuehrung-einer-Lernkultur-40-Learning-Out-Loud,268132 , Dezember 2018

3) John Stepper: Working Out Loud Circles. Die Kraft von Peer-Support. http://workingoutloud.com/de/circle-guides/, https://www.youtube.com/watch?v=XpjNl3Z10uc

4)https://www.youtube.com/watch?v=PJuWPmaeCv

 5)6) Lerntechnologie-Kongress OEB, s.o.

7) Michelle Obama: Becoming, 2018

Fotos: Yuen Lysander, 2x Rawpixel , Hans-Peter Gauster, alle https://unsplash.com/photos

Über die Autorin

Ulla Thombansen
Senior Consultant

Ulla Thombansen ist Diplom-Volkswirtin Freiburger Schule und als ursprüngliche Gründerin von MUT spezialisiert auf:
- Organisationsentwicklung in aktuellem Rahmen
- Nachhaltige Festigung von Entwicklungen
- Hintergrund-Rechecherche rund um Servicemanagement und Führung im schnellen Wandel
- Systementwicklung in der Profigastronomie
- Qualitäts- und Hygienemanagement samt Dokumentationen

Im Blog MUTgestalten liefert sie vor allem Beiträge in der Kategorie Haltung.

Über sich selbst sagt sie:

Ich bin motiviert, wenn...
Programme für Kunden und Anwender passen und heterogene Gruppen zu gemeinsamen Zielen kommen. Und wenn ich komplexe Projekte erfolgreich mit den beteiligten Menschen steuern kann.

ut@mutmanagement.de